Gitty die Giraffe
Es war einmal eine junge Giraffe namens Gitty, die in einem wunderschönen Savannengebiet lebte, das für seine endlosen Weiten und seiner großen Tiervielfalt bekannt war.
Gitty war eine ganz besondere Giraffe – und das nicht nur, weil sie die neugierigste und freundlichste Giraffe weit und breit war, sondern auch wegen ihres außergewöhnlich langen Halses.
Nun, du fragst dich vielleicht: „Aber haben Giraffen nicht alle lange Hälse?“ Natürlich! Aber Gittys Hals war noch länger als der der anderen Giraffen und das brachte ihr so einige Herausforderungen im Alltag.
Eines Morgens, als die Sonne gerade über der Savanne aufging und die Vögel fröhlich zwitscherten, entschied Gitty, dass sie den Tag damit verbringen wollte, ihre Freunde zu besuchen. Zuerst machte sie sich auf den Weg zu Freddy, dem Elefanten. Freddy war immer gut gelaunt und liebte es, mit seinem Rüssel Wasser auf sich zu spritzen, um sich in der Mittagshitze abzukühlen.
Als Gitty bei Freddy ankam, stand er gerade am Fluss und nahm ein gemütliches Bad. „Hallo, Freddy!“, rief Gitty fröhlich. Doch in dem Moment, als sie sich vorbeugte, um näher an Freddy heranzukommen, geriet ihr langer Hals ins Wanken. Plötzlich verlor sie das Gleichgewicht und – platsch – fiel sie kopfüber in den Fluss.
Freddy lachte laut auf, als Gitty klitschenass aus dem Wasser gekrochen kam. „Oh, Gitty“, sagte er kichernd, „vielleicht solltest du beim Vorbeugen ein wenig vorsichtiger sein!“
Gitty schüttelte das Wasser von sich ab und lachte ebenfalls. „Ja, du hast recht, Freddy. Aber manchmal vergesse ich, wie lang und schwer mein Hals wirklich ist.“
Nachdem sie sich von Freddy verabschiedet hatte, machte sich Gitty auf den Weg zu ihrem nächsten Freund, Kiki, der Affendame. Kiki lebte hoch oben in den Bäumen und liebte es, mit den anderen Affen durch die Äste zu schwingen.
Als Gitty bei Kiki ankam, versuchte sie Kiki zuzuwinken, doch ihr langer Hals blieb zwischen zwei großen Ästen stecken. „Oh nein!“, rief Gitty erschrocken, als sie versuchte ihren Hals wieder freizubekommen. Kiki und die anderen Affen lachten, aber sie kamen sofort zur Hilfe. Sie schoben und zogen vorsichtig, bis Gitty endlich wieder frei war.
„Danke, Kiki“, sagte Gitty erleichtert. „Ich hätte wirklich besser aufpassen sollen.“ Kiki grinste und antwortete: „Mach dir keine Sorgen, Gitty. Dein Hals ist zwar manchmal ein wenig unpraktisch, aber er ist auch das, was dich besonders macht!“
Gitty dachte über Kikis Worte nach. „Es stimmt“, dachte sie. „Mein Hals macht mich besonders. Aber wie kann ich all diese Probleme vermeiden?“ Gitty beschloss sich Rat bei der ältesten und weisesten Giraffe der Savanne zu holen – Oma Greta.
Oma Greta lebte etwas abseits der großen Herden, in einem ruhigen Teil der Savanne. Gitty bewunderte sie sehr, denn Greta war schon 30 Jahre alt, was für Giraffen schon super alt ist. Oma Greta hatte in ihrem Leben unzählige Abenteuer erlebt. Sie hatte auch einen ziemlich langen Hals, wenn auch nicht ganz so lang wie der von Gitty.
Als Gitty bei Greta ankam, erzählte sie ihr von all ihren Schwierigkeiten und wie sie sich oft tollpatschig fühlte, weil ihr Hals im Weg war. Oma Greta hörte ihr aufmerksam zu und nickte.
„Weißt du, meine liebe Gitty“, begann sie mit sanfter Stimme, „jeder von uns hat etwas, das ihn besonders macht. Manche Tiere sind klein und flink, andere sind groß und stark. Du hast einen langen Hals, aber genau dieser Hals ist es, der dich so einzigartig macht.“
Gitty seufzte. „Aber ich stolpere ständig über meinen Hals oder bleibe irgendwo stecken!“
Oma Greta lächelte. „Das mag sein, aber dein Hals gibt dir auch viele Möglichkeiten, die andere Tiere nicht haben. Du kannst die saftigsten Blätter hoch oben in den Bäumen erreichen, die kein anderes Tier fressen kann. Du kannst aus der Ferne sehen, wenn Gefahr droht und vor allem kannst du mit deiner Größe anderen Tieren helfen.“
Gitty horchte auf. „Mit meiner Größe helfen? Wie könnte ich das tun?“
Oma Greta lächelte und erklärte: „Indem du deine Größe nicht als Hindernis, sondern als Geschenk betrachtest. Es gibt viele Tiere, die sich wünschen, so groß zu sein wie du und vielleicht kannst du Wege finden, deine besondere Fähigkeit zum Nutzen aller einzusetzen.“
Nach dem Gespräch mit Oma Greta fühlte sich Gitty ermutigt und nachdenklich. Auf ihrem Rückweg durch die Savanne entschied sie sich, ihre Schwierigkeiten nicht länger als Probleme zu sehen, sondern nach Gelegenheiten Ausschau zu halten, wo ihr langer Hals hilfreich sein könnte.
Bald darauf, als Gitty durch die Savanne spazierte, hörte sie ein leises Weinen. Neugierig folgte sie dem Geräusch und fand ein kleines Zebra, dass im Schatten eines Baumes saß und verzweifelt mit den Hufen gegen etwas klopfte.
„Was ist los?“, fragte Gitty freundlich.
Das kleine Zebra, das Nino hieß, sah auf und erklärte: „Meine Mama hat mir gesagt, ich solle hier warten, während sie nach Essen sucht, aber ich habe versucht auf den Baum zu klettern, weil ich etwas entdeckt habe, dass hoch oben festhängt.“ Nino zeigte nach oben und Gitty sah, dass ein Vogelhaus in den Ästen hing. Ein heftiger Windstoß musste es von einem der hohen Bäume herabgeweht haben, aber es hing zu weit oben, sodass Nino es nicht herunterholen konnte.
„Oh je, das sieht schwierig aus“, sagte Gitty. „Aber zum Glück habe ich ja einen langen Hals!“
Mit einer geschickten Bewegung reckte Gitty ihren Hals nach oben, um das Vogelhaus zu erreichen. Vorsichtig packte Gitty das Vogelhaus mit ihrem Mund und stellte es sicher auf den Boden. Nino strahlte vor Freude. „Danke, Gitty! Ohne dich hätte ich das nie geschafft!“
Gitty lächelte stolz. Es fühlte sich gut an, anderen helfen zu können.
Von diesem Tag an achtete Gitty darauf, wie sie ihre Länge nutzen konnte, um anderen Tieren in der Savanne zu helfen. Einmal half sie einer Gruppe von Meerkatzen, die ihr Nest wiederfanden, dass durch einen Sturm in den Wipfeln eines Baumes verheddert war. Ein anderes Mal warnte sie die Tiere vor einem nahenden Löwen, den sie schon von weitem mit ihrem hohen Ausblick entdecken konnte.
Jedes Mal fühlte sich Gitty nützlicher und selbstbewusster. Sie begann ihren langen Hals nicht mehr als etwas Problematisches, sondern als eine besondere Gabe zu sehen. Und obwohl sie manchmal immer noch über Äste stolperte oder beim Trinken aus dem Fluss ins Wanken geriet, lernte sie diese kleinen Unannehmlichkeiten mit Humor zu nehmen.
Gitty wurde bald in der ganzen Savanne bekannt. Nicht nur wegen ihres langen Halses, sondern auch wegen ihrer Hilfsbereitschaft und Freundlichkeit. Die anderen Tiere respektierten sie und schätzten ihre besondere Fähigkeit, auch in schwierigen Situationen einen kühlen Kopf zu bewahren und Lösungen zu finden.
Eines Tages, als Gitty wieder bei Oma Greta war, fragte sie die weise alte Giraffe: „Oma Greta, warum habe ich manchmal so sehr mit meinem Hals gekämpft?“
Oma Greta lächelte sanft und antwortete: „Weil es Zeit brauchte, bis du verstanden hast, dass das, was uns besonders macht, manchmal auch eine Herausforderung sein kann. Doch wenn wir lernen, diese Besonderheit zu schätzen und zu nutzen, wird sie zu unserer größten Stärke.“
Gitty nickte und sah zu den Bäumen, die sich im Wind wiegten. „Ich verstehe es jetzt“, sagte sie leise. „Mein Hals ist meine Stärke. Er hilft mir, die Welt aus einer anderen Perspektive zu sehen.“
Und so lebte Gitty weiterhin ein fröhliches Leben in der Savanne. Sie hatte zwar immer noch ab und zu kleinere Missgeschicke mit ihrem langen Hals, aber das machte ihr nichts mehr aus. Denn sie wusste, dass sie genau so gut war, wie sie eben war.
Und die Tiere der Savanne? Sie liebten Gitty und wussten, dass sie sich immer auf sie verlassen konnten, wenn sie einmal Hilfe brauchten.